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Ernst Nepo, Familienporträt Keller, 1929

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Ein Werk von Wilhelm Nikolaus Prachensky

Der Aufbruch in die Moderne seit den 1920er Jahren

Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Tirol kein besonders fruchtbarer Boden für die Kunst. So hatten sich die Tiroler Künstler ihr Betätigungsfeld außerhalb der Heimat gesucht, zumeist in München oder Wien. Daran änderte sich auch nicht viel, als 1903 mit dem "Künstlerbund" ein erster Zusammenschluss der Künstler des Landes erfolgte.

Erst in den 1920er Jahren kam es zu einem Aufbruch. 1925 schlossen sich zahlreiche junge Künstler zu einer Gruppe unter dem Namen "Die Waage" zusammen (darunter Wilhelm Nikolaus Prachensky und Ernst Nepo). In einer Ausstellung, die zunächst in Gelsenkirchen, dann in der Folge auch in anderen deutschen Städten gezeigt wurde, gab dieser neue Zusammenschluss ein kräftiges Lebenszeichen von der erneuten Aktivität Tiroler Künstler. Präsentiert wurde, neben den Mitgliedern der "Die Waage", u.a. auch Albin Egger-Lienz, wohl der bekannteste Tiroler Künstler aus der ersten Hälfte des neuen Jahrhunderts. Ausgehend vom Werk Franz von Defreggers zeigt doch gerade Egger-Lienz, wie sich die Künstler Tirols in der Folge von dem nicht zuletzt durch Defregger geprägten Image der Tiroler Historienmalerei befreien wollten und sich zunehmend der modernen Kunstauffassung öffneten. Wie Defregger zeigt auch Egger-Lienz die Bauern, doch sind sie bei ihm nicht romantisch verklärt, sondern in ihrem harten, unbarmherzigen Lebensalltag gezeigt. Dabei verwendet er eine Monumentalität, die zahlreiche Künstler in ihren Bann zog und rasch Schule machte. Maßgeblich beeinflusst hat Egger-Lienz etwa Hans Weber-Tyrol und Alfons Walde. Beide Künstler fanden, wenngleich in sehr unterschiedlicher Ausprägung, in der Landschaftsmalerei ein Gebiet, das sich vielleicht gerade in Tirol in besonderem Maß anbot.

Die Kunst der vor allem in Deutschland ausgeprägten Neuen Sachlichkeit nahmen in Tirol Künstler wie Sebastian Humer und Rudolf Lehnert auf. Auch Ernst Nepo entwickelte sich, nach anfänglicher Beschäftigung mit der expressionistischen Kunst, immer mehr hin zur Neuen Sachlichkeit. Obwohl er selbst nicht lange bei dieser Stilrichtung blieb, zählt man ihn heute doch zu den bedeutendsten Vertretern der Neuen Sachlichkeit in Österreich. In Tirol machte er sich durch seine Portraits einen Namen.

Einen deutlichen Einbruch für das rege Kunstleben Tirols brachte dann der Anschluss Österreichs 1938 mit sich. Die nationalsozialistische Kunstauffassung wurde diktiert und das Kunstleben außerhalb der "Regimekunst" kam zum Erliegen. Gerade für die Architektur stellten auch die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs einen großen Einschnitt dar. Dies hat sich auch auf den Bestand der zeitgenössischen Architektur ausgewirkt: So wurde etwa das Wohnhaus Treichl in Innsbruck in den Kriegswirren zerstört. Sein Erbauer, der Tiroler Lois Welzenbacher, war in den 1920er Jahren zu einem der führenden Architekten geworden; sein Werk, das auch die in den 20er und 30er Jahren moderne funktionalistische Ansätze aufnimmt ("Neues Bauen"), fand weltweit Anerkennung. Setzte sich Welzenbacher besonders mit Wohnhäusern, Villen und mit der Städteplanung auseinander, so wurde Clemens Holzmeister in Tirol mit seinen modernen Kirchenbauten bekannt. Die in St. Anton, Allerheiligen (Innsbruck) und Erpfendorf entstanden Kirchen Holzmeisters sind im Vergleich zu jenen Josef Lackners (1931-2000) noch sehr stark am traditionellen Modell einer Dorfkirche orientiert. Lackner hingegen ging einen Schritt weiter: In der 1960 in Neu-Arzl gebauten Pfarrkirche war die Rücksichtnahme auf einen alten Dorfkern nicht notwendig und er nützte diese Möglichkeit, einen klar gegliederten Bau zu schaffen, der sich auf horizontale und vertikale Bauelemente konzentriert.

Auch in der Malerei der Nachkriegszeit kam es zu einer immer intensiver werdenden Auseinandersetzung mit der Tradition. Dabei provozierte die Kunst oft harsche Reaktionen im konservativen Tirol; das wohl bekannteste Beispiel sind die Fresken Max Weilers in der Theresienkirche auf der Hungerburg, die nach längerem Streit und einem Verbot unvollendet belassen und sogar verhängt wurden. Das Problem einer Erneuerung auch in den traditionellen Bereichen sakraler Kunst stellt sich aber nicht nur hier. Im Gegenteil, immer wieder kommt es zu großen Auseinandersetzungen zwischen Künstlern und ihrem Publikum. Eine Christus-Skulptur von Rudi Wach, geplant für die Innbrücke in Innsbruck, rief auf Grund der Nacktheit Christi einen Skandal hervor und wurde nicht am vorgesehenen Ort aufgestellt.

Ist nun schon der äußerst bekannte Max Weiler (1910-2001) genannt worden, so darf doch der Zeichner Paul Flora nicht fehlen, der auf ganz andere Art - nämlich durch seine bissigen Karikaturen - sein Publikum herausfordert. Er gehört mit Weiler zu jener Generation von Tiroler Künstlern, deren Ausbildung in die 1930er Jahre fiel und die so zunächst von einem Austausch mit der internationalen Kunstszene ausgeschlossen waren. Nach dem Krieg gingen aber gerade von dieser Generation entscheidende Impulse für die Tiroler Kunst aus. Gefördert wurde der Neubeginn in besonderem Maß vom neu gegründeten "Französischen Kulturinstitut" in Innsbruck, das nicht nur die Kenntnis der modernen französischen Kunst förderte, sondern auch eine Plattform für die Tiroler Künstler selbst bot. So setzten sich Maler wie Norbert Drexel (*1933), Anton Tiefenthaler (1929-1982) und Franz Walchegger (1913-1965) intensiv mit dem Kubismus und seiner Formensprache auseinander. Gerhild Diesner (1915-1995), die in England und Paris studiert hatte, beschäftigte sich in ihrem Werk ebenso mit dem Spätkubismus als auch mit van Gogh, Gauguin und Matisse.

Neue Formfindungen, die radikal mit der alten Kunst der Kriegszeit brachen, verwendete Oswald Oberhuber (*1931). Er entwickelte bereits Ende der 1950er Jahre das Konzept einer "Permanenten Veränderung in der Kunst", das sich spätestens seit den 70er Jahren auch international durchsetzte; danach seien spezifische Stilbindungen in der modernen Kunst gar nicht mehr möglich. Wie wahr dieser Satz ist, zeigt sich auch in dem Versuch einer kurzen Darstellung der Tiroler Kunst im 20. Jh. Sie kann in der Vielzahl der Stilrichtungen und im unübersichtlichen Kunstschaffen nur einige Schlaglichter auf das Kunstgeschehen werfen, ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.

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