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Tourismushochburg Obergurgl, 420 Einwohner, 580.000 Gäste-Übernachtungen pro Jahr

Problem Transitverkehr

Zwischen Tradition und Moderne: Tirols Gesellschaft im Wandel

Nicht nur der südliche Landesteil, sondern auch das nördlich und östlich gelegene Bundesland Tirol haben sich weiter entwickelt: Bevölkerungswachstum (von 420.000 1948 über 600.000 in den 1990er Jahren), starke Zunahme der unselbständig Erwerbstätigen und des Dienstleistungssektors sowie der dramatische Rückgang der Landwirtschaftsbetriebe (auf 50%), die Zunahme der Hotelzimmerbetten von 63.000 (1953) auf über 400.000 (in den 1980er Jahren) und die Verdoppelung des Beschäftigungsstandes der Industrie waren die hervorstechenden Merkmale des veränderten Gesellschafts- und Wirtschaftsprofils. Das Land entwickelte sich von einer agrarisch geprägten zu einer "modernen", vornehmlich fremdenverkehrswirtschaftlich ausgerichteten, aber auch zu einer industrialisierteren Dienstleistungsgesellschaft. Die Gäste verdrängten die Kühe, der Bauer wurde zum Hotelier. Die Schützen stehen nun hinter Schneekanonen. Noch nie war der Lebensstandard in Tirol so hoch wie im ausgehenden 20. Jahrhundert.

In politischen Parteien und Gremien waren und sind Frauen aber weithin unterrepräsentiert. Die 1970er und 1980er Jahre signalisierten dann allerdings einen gewissen Aufbruch. Die Ausgrenzung von Frauen aus dem öffentlichen und die Eingrenzung auf den rein privaten Raum funktionierte nicht mehr so wie gewohnt.

Wiederholt und bis heute wird das "heilige Land" von Würdenträgern der Kirche und Landespolitikern repräsentiert. 1964 wurde die Apostolische Administratur zur Diözese Innsbruck-Feldkirch umgewandelt. Ungeachtet dessen ist ein Rückgang der Gottesdienstbesuche in der Diözese Innsbruck feststellbar. Der Wandel zeigte sich nicht nur rein äußerlich-personell im Übergang vom streng-konservativen und sozial-karitativen Bischof Paulus Rusch zum reformfreudig-aufklärerischen Volksbischof Reinhold Stecher (1981-1997), dem der bescheidene Salesianer Alois Kothgasser (1997-2003) und auf ihn Manfred Scheuer folgte, sondern auch im wachsenden Trend zur Loslösung von der Kirche als Institution und sinkendem Einfluss auf die alltägliche Lebensgestaltung im Zeichen zunehmender "Urbanisierung". Das "Kirchenvolks-Begehren" hin zu einer offeneren Kirche nahm bekanntlich von Tirol seinen Ausgang. Die fortschreitende Distanz von den beiden großen christlichen Kirchen und eine Säkularisierungstendenz entwickelten sich in weiten Bereichen der Tiroler Gesellschaft.

Die "Fratze" des Wohlstands zeigte sich in Tirol vor allem durch die explosionsartige Zunahme des Individualverkehrs. Hatte Wallnöfer noch die Befürchtung gehegt, Tirol könne umfahren und dadurch benachteiligt werden sowie das credo "Verkehr ist Leben" vertreten, so hat der seit den 1970er Jahren zunehmende Transitverkehr immer mehr Lärm und Schadstoffausstoß produziert. Die Arbeitsgemeinschaft Alpenländer (ARGE ALP) war gegen die Schwerverkehrslawine machtlos und versagte kläglich. Der mit der EG noch vor dem österreichischen EU-Beitritt geschlossene "Transitvertrag" brachte keine Besserung und verkam zur Makulatur. An dieser Entwicklung wurde eines sehr deutlich: Tirol kann um die Jahrtausendwende sein Schicksal nicht mehr selbst bestimmen. Europäisierung, Internationalisierung und Globalisierung sind Trends, gegen die sich eine stärker profilierte Regionalisierung nur schwer behaupten kann.

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