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Soldaten der italienischen Besatzungsmacht
am Lanser See bei Innsbruck, 1919
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Keine Revolution im konservativen Land: Das Kriegsende in Tirol 1918
Nach dem viel zu spät verkündeten "Völkermanifest" wurden auch in Tirol neue verfassungsmäßige Organe geschaffen.
Am 26. Oktober 1918 konstituierte sich eine Tiroler Nationalversammlung, der die Angehörigen des 1914 gewählten Tiroler Landtages sowie die Abgeordneten zum Reichsrat in Wien (in beiden Fällen nur jener deutschsprachiger Herkunft) angehörten. Der von ihr als Vollzugsausschuss eingesetzte Tiroler Nationalrat diente als oberste Autorität. Deutschnationale, Sozialdemokraten und Tiroler Volkspartei (letztere mit absoluter Mehrheit) waren darin vertreten. Die drei Lager konnten in der Frage der Beziehung Tirols zum neuen österreichischen Staat jedoch keine Einigung erzielen. Zwar hatte sich der Tiroler Nationalrat als Vollzugsorgan des deutschösterreichischen Staatsrates bezeichnet und am 11. November 1918 ohne Gegenstimme die republikanische Staatsform gutgeheißen. Im Unterschied zur Regierungsform bildete aber vor allem die staatsrechtliche Frage einen heftigen Streitgegenstand.
Ein selbständiger Tiroler Freistaat von Kufstein bis Salurn schien der Tiroler Volkspartei (dem Zusammenschluss der bislang miteinander rivalisierenden Katholisch-Konservativen und Christlichsozialen vom 27. Oktober 1918) und dem hinter ihr stehenden potenten Tiroler Bauernbund sehr aussichtsreich, was Sozialdemokraten und Liberale entschieden ablehnten, weil sie in einer derartigen Konzeption ihre politische Marginalisierung befürchteten.
Der Kompetenzbereich des Tiroler Nationalrats wurde rasch beschnitten, weil ab dem 3. November 1918 italienische Truppen die Gebiete südlich des Alpenhauptkamms bis ins östliche Pustertal um Sillian sowie Innsbruck besetzten. Dieser Zustand hielt bis 1920 an.
Die militärische Niederlage der K.u.K.-Armee führte nicht nur zu hunderttausenden österreichischen Kriegsgefangenen und -flüchtlingen, sondern auch zu chaotischen Verhältnissen für die Bevölkerung an der Heimatfront. Die Versorgungskrisen, die schon während des Krieges spürbar waren, mündeten in eine katastrophale Ernährungssituation: Hungerkrawalle Innsbrucker Frauen, systematische Plünderungen und Ansätze von revolutionären Umtrieben waren erkennbar, worauf sich aus Freiwilligenbeständen Bürger- und Einwohnerwehren bildeten und die unsichere Lage bald im Griff hatten, von denen mit Unterstützung bayerischer Rechtskreise die Tiroler Heimatwehr (gebildet am 15. Mai 1920) zum einflussreichsten bürgerlich-nationalen und bäuerlich-konservativen Wehrverband im Lande avancieren sollte, der der Volkspartei sehr nahe stand. Die 1918/19 gebildeten Soldatenräte und die in diesem Kontext gegründete sozialdemokratische Volkswehr (vgl. dazu Republikanischer Schutzbund) spielte im Vergleich zur Heimatwehr nur eine untergeordnete Rolle. Eine Revolution fand im konservativen Tirol nicht statt.
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