Denkmal "anno 9" an der Innbrücke in Innsbruck: Der Tiroler Landsturm beobachtet die bayrischen Besatzungstruppen auf der nördlichen Innseite, bevor er die Stadt am 12. April 1809 zurückerobert.
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Das Riesenrundgemälde in Innsbruck zeigt die 3. Bergiselschlacht im August 1809. Szene im Osten des Bergisels - Peter Mayrs Pustertaler Schützen mit dem brennenden Lemmerhof
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Das Riesenrundgemälde in Innsbruck zeigt die 3. Bergiselschlacht im August 1809. Szene im Westen des Bergisels - Pater Haspinger feuert die Eisacktaler an.
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1809 - Hintergründe und Verlauf
Im 3. Koalitionskrieg (mit England und Russland) verlor Österreich gegen Kaiser Napoleon 1805 die Schlacht von Austerlitz. Tirol und Vorarlberg fielen daraufhin an Bayern, das sich aufgrund französischen Druckes hin an Napoleon angeschlossen hatte. In Bayern war seit einigen Jahren ein politisches System mit der Trennung von Kirche und Staat sowie einer zentralistischen Behörde eingerichtet worden. Dieses Modell versuchten die Bayern auch auf Tirol zu übertragen. Zunächst wurde die Verwaltung nach bayrischem Muster in den Städten als durchaus effizient anerkannt und begrüßt. Die Landbevölkerung verhielt sich ruhig, solange im Prinzip alles so blieb, wie es vorher war, und nahm die bayrische Besatzung als ein Übel hin, das vorübergehen würde. Die Bayern setzten ihre Reformen jedoch um, ohne sich um die Akzeptanz der konservativen Tiroler zu bemühen, und machten sich damit bald unbeliebt. Den Risiken eines allfälligen Freiheitskampfes standen die Tiroler Bürger, Adeligen und Beamten allerdings sehr skeptisch gegenüber. Dass es schließlich doch zum Aufstand kam, hatte mehrere Ursachen:
1. Transit- und Exporthandel - eine wichtige Einnahmequelle für Tirol - brachen völlig zusammen: Die europäische Wirtschaft lag durch den langen Krieg darnieder. Durch die Kontinentalsperre gab es keinen Handel mehr über den Brenner. Der Viehexport war zum Schutz der bayrischen Viehzucht gestoppt. Die Grenzen nach Österreich aber aus politischen Gründen geschlossen. Die Tiroler Bauern stürzten ins Elend und der Unmut begann zu wachsen. Dies betraf vor allem die einflussreichen Wirte, Viehhändler und Spediteure mit ihren weitreichenden Beziehungen. Zusätzlich erhöhten die Bayern die Steuern, um die eigenen Truppen verpflegen zu können.
2. Die politische Verwaltung wurde bis auf die Gemeindebene hinunter einer strengen, direkten Kontrolle unterstellt. Die traditionelle Selbstverwaltung wurde abgeschafft, sogar der Name "Tirol" verschwand.
3. Die Zentralregierung griff 1808 schroff in das religiöse Leben ein, verbot Bräuche, verhaftete und deportierte Priester und brachte so das Volk gegen sich auf.
4. Im Winter 1809 wurde die allgemeine Wehrpflicht eingeführt und Tiroler Rekruten sollten für Napoleons Heere ausgehoben werden. Die davon betroffene Jugend war die Bevölkerungsgruppe, die am ehesten zu einem Aufstand bereit war.
Die Kontakte zu Wien waren seit 1805 nie abgerissen und der mit Tirol besonders verbundene Erzherzog Johann (1782-1859), der jüngste Bruder von Kaiser Franz, hatte Verbindungen zu den unzufriedenen Tirolern geknüpft, vor allem zu Transportunternehmern und Wirten. Mit Andreas Hofer, dem Sandwirt und Viehhändler aus dem Passeiertal, war er gut befreundet. Hofer und eine Gruppe Gleichgesinnter reisten im Winter 1809 nach Wien zu Johann und seinem Berater, dem Tiroler Historiker und Diplomaten Baron Joseph Hormayr (1781-1848). Dieser plante die Strategie eines Guerillakrieges, mit dem die Spanier schon seit 1808 die französische Besatzung bekämpften. Der Wiener Hof war ganz und gar nicht begeistert von Johanns Plan einer frei gegen die napoleonischen Truppen kämpfenden Bauerntruppe und akzeptierte die Idee einer Volksbewaffnung nur unter äußerster Not.
Erstaunlicherweise wurden die Vorbereitungen für den Aufstand im Winter 1808/09 von den Besatzern lange nicht bemerkt (z.B. legten die Wirte überall Verpflegungdepots an). Als die Bayern schließlich doch Verdacht schöpften, forderten sie die Verstärkung der 4500 Mann zählenden Besatzungstruppe. Aber erst im April rückten 5000 Soldaten aus Oberitalien in zwei Gruppen heran. Von dieser unkoordinierten Führung der Bayern profitierten die Tiroler, als am 10. April die österreichische Offensive in Bayern begann und sich in ganz Tirol der Landsturm erhob. Am 12. April eroberte dieser Innsbruck, und zwei Tage später konnten die von Süden zu Hilfe heranrückenden bayrischen Truppen gezielt unter Beschuss genommen werden. Als diese erfuhren, dass die bayrische Militärmacht in Tirol zusammengebrochen war, kapitulierten sie bald. Jetzt traf auch die österreichische Verstärkung ein, die aber gar nicht mehr gebraucht wurde. Tirol hatte sich im Jahr 1809 zum ersten Mal selbst befreit.
Blitzartig marschierte Napoleon daraufhin nach Bayern und an den Österreichern vorbei direkt nach Wien. Die österreichischen Truppen folgten ihm und gewannen in Aspern bei Wien die erste offene Feldschlacht gegen Napoleon. Um Tirol wieder zu besetzen zogen im Mai zwei bayrische Divisionen unter französischem Kommando brandschatzend durch das Inntal (Schwaz wurde dabei abgebrannt).
Die österreichischen Militärs waren nun - sieht man von ca. 1000 Mann ab - wieder aus Tirol abgezogen und so blieb der Landsturm ziemlich auf sich allein gestellt. Der kontaktfreudige Andreas Hofer wurde zur Integrationsfigur und stieg ohne förmliche Ernennung zum Oberkommandanten auf. Sein wichtigster Stratege war Josef Speckbacher, der bereits bei Spinges 1797 gegen die Franzosen gekämpft hatte. Am 25. und 29. Mai 1809 setzten sich die Tiroler in zwei Schlachten an den Hängen südlich von Innsbruck durch und die Bayern zogen wieder ab. Eine ausgeklügelte Strategie gab es dabei nicht, Andreas Hofers Parole "balds die Boarn treffts, drauhaun und nur nit aualassn" bewährte sich in allen drei siegreichen Bergiselschlachten. Bitter büßten die bayrischen Soldaten für ihr blindes Anrennen gegen den gezielt von oben herunterschießenden Landsturm. Damit hatte sich Tirol zum zweiten Mal selbst befreit, die Verwaltung des Landes übernahm Joseph von Hormayr.
Der Tiroler Landsturm war 1809 so organisiert, dass jede Gemeinde eine Schützenkompanie mit 100 Mann stellte. Als Offiziere fungierten die Dorfhonoratioren (Wirte, Lehrer, Grundbesitzer, kleine Adelige). Die Mitglieder der einzelnen Kompanien standen nicht das ganze Jahr im Einsatz, sondern wechselten sich ab. Auf diese Weise waren insgesamt an die 100.000 Tiroler am Aufstand beteiligt. Die bevölkerungsreicheren Städte stellten keine großen Kontingente, da den meisten Bürgern die militärische Schulung fehlte und sie auch nicht in Schützenverbänden zusammengeschlossen waren. Frauen waren in die Kämpfe von 1797 und 1809 stark eingebunden. Während heute bloß die Marketenderinnen bei den Schützen mitmarschieren, hatten sie damals die "Logistik" über: von der Truppenverpflegung bis zum aufwendigen Nachladen der Schießprügel.
Am 6. Juli verloren die Österreicher in Wagram bei Wien gegen Napoleon. Der Franzosenkaiser schickte nun 25.000 Bayern und Sachsen unter General Lefèbvre nach Tirol mit dem Auftrag, die Kapitulation zu erzwingen. Dass die Kontingente von allen Seiten kamen, gab den Tirolern die Möglichkeit, diese an den verschiedenen Engstellen jeweils abzupassen und aufzureiben. Lefèbvre konzentrierte seine dezimierte Streitmacht in Innsbruck, der Landsturm südlich davon, auf beiden Seiten je etwa 15.000 Mann. Die erbitterte Entscheidungsschlacht am 13. August auf den Hängen zwischen Paschberg und Natterer Boden (als "Berg-Isel" zusammengefasst) ist farbenprächtig im Innsbrucker Rundgemälde verewigt. Am Abend hatten die Bayern solch große Verluste und keine Munition mehr, dass nur noch schneller Rückzug blieb, um nicht eingekesselt zu werden. Tirol aber hatte sich 1809 zum dritten Mal befreit. Napoleons Gesamtprogramm wurde durch diese Erfolge nicht besonders gestört, aber die moralische Wirkung war doch erheblich. Der Tiroler Freiheitskampf entwickelte sich zu einem Mythos, der die Zeiten überdauerte und heute noch im Bewusstsein aktuell ist.
Andreas Hofer "regierte" nun in der Innsbrucker Hofburg. Darin hatte er natürlich keinerlei Erfahrung, und so überrascht es nicht, dass das darniederliegende Land etwas unkoordiniert verwaltet wurde. Über manche der unter ihm erlassenen Verordnungen mag man heute "schmunzeln", so über die Sittenordnung, in welcher der städtischen Damenwelt vorgehalten wird, "Brust und Armfleisch zu wenig, oder nur mit durchsichtigen Hadern (Tüchern) zu bedecken".
Im Oktober, im Frieden von Schönbrunn, musste Kaiser Franz Tirol jedoch wieder den Bayern überlassen. Auf den Befehl Napoleons zur endgültigen Besetzung Tirols rückten fast 40.000 Mann samt Kanonen an. Es erfolgte ein Aufruf zur Niederlegung der Waffen, da Friede geschlossen sei; die Beschwerden, die zum Aufstand geführt hatten, würden berücksichtigt werden. Die Bayern schickten Kronprinz Ludwig (1786-1868), einen Freund der Tiroler und selbst Gegner Napoleons. Viele Tiroler hielten weiteren Widerstand nun für sinnlos, andere wie Pater Joachim Haspinger versuchten den zögernden Andreas Hofer aber umzustimmen. Die Vierte Bergiselschlacht am 1. November war mehr eine Truppenparade bayrischer Macht, Prinz Ludwig wollte unnötiges Blutvergießen verhindern. Nach zweistündigem Artilleriefeuer war der ohnehin nur noch halbherzige Widerstand vorbei und die Tiroler zogen unbehelligt nach Hause.
Nur die Radikalen gaben selbst dann nicht auf, bestürmten den vom politischen Parkett und der Verantwortung überforderten Andreas Hofer noch einmal für eine letzte Erhebung - und obwohl Josef Speckbacher durch sein strategisches Können die ersten Gefechte am 16. und 22. November sogar gewann, hatte das kleine Häuflein des "letzten Aufgebots" keine Chance. Nun wurden die verbliebenen Anführer dieses letzten Widerstandes gejagt und hingerichtet. Andreas Hofer, durch Verrat aufgespürt, wurde nach Mantua geschafft und trotz Bitten der dortigen Stadtbevölkerung am 20. Februar 1810 erschossen. Die bayrische Regierung aber ging von nun an milde und vorsichtig mit Tirol um, um keinen Anlass mehr für neue Aufstände zu bieten. Die Verwaltung unter dem allseits beliebten Prinz Ludwig war korrekt und die Reformen brachten echte Fortschritte.
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