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Treffen der Landeshauptleute von Trient (Mario Malossini), Tirol (Alois Partl) und Südtirol (Luis Durnwalder) im Juni 1989

Emanzipation Südtirols und Tiroler Identitätskompensation mit der "Europaregion Tirol-Trentino-Südtirol"

1972 konnte für Südtirol eine verbesserte Autonomie erreicht werden. Im Rahmen eines "Operationskalenders" mussten aber erst die einzelnen Durchführungsbestimmungen erlassen werden, um die verschiedenen Maßnahmen wirksam werden zu lassen. Der Weg nach Europa war daher noch weit, obwohl Südtirol mit Italien seit 1957 EWG-Gründungsland war. Die Durchführung der entscheidenden Autonomiemaßnahmen (Zweisprachigkeit in Ämtern und Behörden sowie vor Gericht, eigene Gerichtskompetenz für Bozen etc.) und die Verwirklichung wichtigster gesetzlicher Bestimmungen zogen sich fast noch zwei Jahrzehnte hin. Erst 1992 erfolgte die "Streitbeilegung" durch Österreich vor der UNO.

Die Teilung machte Tirol im 20. Jahrhundert zum Sonderfall im Vergleich zu den übrigen österreichischen Bundesländern. Das Innsbrucker Bestreben für die österreichische Südtirolpolitik musste offiziell immer mit friedlichen und diplomatischen Mitteln erfolgen, wurde allerdings zeitweilig von radikalen Kräften getrieben, die kriminelle Energien freisetzten und vor Gewaltanwendung nicht zurückschreckten, um gegen die Verschleppung des Gruber-De Gasperi-Abkommens, dann aber auch gegen eine Autonomielösung als solche Widerstand zu leisten. Aus der Teilungssituation und der Beschwörung der Landeseinheit ließ sich für Tirol stets der Anspruch ableiten, für die Südtiroler Bevölkerung zu sprechen. In den 1990er Jahren änderte sich dies dann grundlegend. Das Bild von der Schutzmachtrolle Österreichs - und damit auch Tirols - bekam Risse. Südtirol, durch ein infolge enormen wirtschaftlichen Aufschwungs in den 1970er und 1980er Jahren einsetzendes Selbstbewusstsein gestärkt, emanzipierte sich zunehmend vom nördlichen Landesteil. Die über viele Jahre zutreffende und gezielt propagierte Vorstellung vom "Volk in Not" und "Land im Leid" gehörte nun definitiv der Vergangenheit an. Südtirol hat sich in verschiedenen Bereichen modernisiert und ist eine hoch subventionierte Provinz Italiens. Ein Flughafen, ein neues Theater, die Universität und das "Ötzi"-Museum in Bozen sowie die neue Schnellstrecke Meran-Bozen (MeBo) zeigen nach außen diesen Wandel an. Greift die These von der "geistig-kulturellen Landeseinheit", die seit dem 175-Jahresgedenken an den Aufstand Andreas Hofers 1809-1984 propagiert wurde, nicht mehr, so hofft man nun in Innsbruck für Tirol mit der "Europaregion Tirol-Trentino-Südtirol" Identität stiftenden Ersatz gefunden zu haben, die seit 1995 ein eigenes Büro in Brüssel unterhält. Mit Österreichs EU-Beitritt (1995) trat auch das Schengener Abkommen (Abbau der Grenzkontrollen zwischen EU-Staaten bei gleichzeitiger Verstärkung der Kontrollen der Außengrenzen) zwischen der Alpenrepublik und Italien in Kraft, was zur Folge hatte, das 1998 am Brenner die Schlagbäume fielen. Beide Landeshauptleute, Wendelin Weingartner von Tirol und Luis Durnwalder für Südtirol, schritten bei Marschmusik am Brennerpass aufeinander zu und reichten sich die Hände. Die Grenzposten mussten abgebaut werden, dort herrscht seither große Langweile. Die Landeseinheit Alttirols ist zwar längst ein Anachronismus geworden, beide Landesteile sind sich aber im Rahmen der EU wieder beträchtlich näher gekommen, wiewohl sich durch die jahrzehntelange Teilung die vor 1918 schon bestehenden Mentalitätsunterschiede verstärkt haben.

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